Silvester mit Hunden 💥🥂

 

 

Woher kommt diese weitverbreitete Angst überhaupt?

 

Erstmal ist sie "normal", denn sie schützt "Leib und Leben".

Angst ist ein durchaus lebenswichtiges, ja überlebenswichtiges Gefühl.

Sie ist evolutionär gesehen ein uralter Instinkt, der den Körper schnell aktiviert, damit er im Zweifel sehr schnell reagieren kann.

Abhängig von den bisherigen Lernerfahrungen und den jeweiligen Möglichkeiten nutzen Tiere als Reaktion auf eine "individuell" empfundene Bedrohung Bewältigungsstrategien wie die Flucht, den Angriff, das Einfrieren und Ablenkungsmanöver wie bspw. Herumalbern.

 

Die Angst an Silvester vor den krachenden, pfeifenden und zischenden Geräuschen ist also nichts Unnatürliches.

Wer jetzt nicht schnell reagieren könnte, der bezahlt womöglich einen hohen Preis!

 

Dein Hund ist sonst ganz gut drauf, nur einmal im Jahr hat er Panik und du denkst dir nun, dass ist dann nicht so schlimm,

da muss er halt mal durch....

Leider funktioniert das so nicht auf Dauer, denn "Angst zieht Kreise".

 

Angst die nicht bearbeitet wird, verstärkt sich im Laufe der Zeit und macht immer sensibler gegenüber weiterer, ähnlicher Angstauslöser.

 

So entwickeln sich nicht selten aus der ehemaligen Furcht vor Böllern weitere Sensibilitäten und schleichend beginnt das Tier mit Meideverhalten und darauffolgendem Angstverhalten bei Schuss- oder Zischgeräuschen. Der ein oder andere Fall geräuschempfindlicher Hunde, die bspw. auf Autobremsen, Fahrradanhänger oder Wasserkocher heftig reagieren, hatte seinen Ursprung in Silvesterfurcht.

Anfangs ganz nahe, später in immer weiterer Entfernung, kommen mehr und mehr alltägliche Geräusche wie zugehende Türen, Fenster, usw. hinzu.

 

Du siehst, es ist äußerst empfehlenswert auch an "einmaligen" Angstauslösern zu arbeiten.

 

All diese Ängste bedeuten großen Stress für deinen Hund.

Unter dem Einfluss der Stresshormone, allen voran Cortisol, kann dein Hund weder etwas lernen, noch wird er im Alltag gelassen reagieren können. Zusätzlich wird damit das Immunsystem heruntergefahren und diverse Krankheiten sind quasi vorprogrammiert.

 

Und jetzt kommt's, den die Lösung ist in Sicht:

 

Angst ist ein Gefühl und negative Gefühle können durch Zuwendung und Trost nicht verstärkt werden!

 

Nur wenn zwei Gefühle der gleichen Art zusammenkommen, können sie einander verstärken.

 

Gefühle mit gegensätzlichem Inhalt verstärken einander nicht, mindern im besten Fall.

 

 

Hunde haben ja die Fähigkeit in uns Menschen einen Bindungspartner zu sehen, dahingehend haben wir sie jahrtausendelang domestiziert.

 

Bindungspartner stehen einander bei, lassen sich in Not nicht alleine, sorgen füreinander.

Dies können wir auch bei den entfernten Verwandten, den Wölfen, beobachten. Ein Rudel kann sich keine ängstlichen Mitglieder leisten,

also geben sie einander den sogenannten "social support". Sie versammeln sich, beschützen sich mithilfe von Körperkontakt.

Auch wir Menschen handeln so, den beispielsweise würden Eltern ein verängstigtes Kleinkind nicht alleine lassen.

Man würde sie sonst mit Recht als "asozial" bezeichnen.

 

Unsere Hunde sind hochsoziale Tiere, die angewiesen sind auf "soziale gegenseitige Unterstützung" von ihren

"neuen" Bindungspartnern, uns Menschen.

 

Allerdings solltest du schon darauf achten, ob der Hund die von dir angewendete "Zuwendung" auch als

wirklich hilfreich und beruhigend empfindet.

Nicht jeder Hund möchte Zwangskuscheln; bleibe einfach in seiner Nähe und beobachte, was dein Hund möchte.

 

Beim beruhigenden Streicheln kannst du die 5-Sekunden-Regel anwenden:

Streichle deinen Hund für 5 Sekunden, nimm dann deine Hand ruhig weg und warte wieder 5 Sekunden auf die Reaktion deines Tieres. Wendet er sich ab, lass ihn in Ruhe; wendet er sich dir zu, kannst du weiter streicheln.

 

 

Was hilft nicht?

 

"Da muss er halt durch". NEIN! muss er nicht!

Wie oben bereits beschrieben, ist das keine Option und birgt einen ganzen Rattenschwanz an negativen Folgen.

 

Auch "Ignorieren" wird nicht helfen.

Der Hund wird sich auch sicher nicht "daran gewöhnen", weil man sich nicht an etwas Beängstigendes gewöhnen kann. Gewöhnung an Etwas funktioniert nur, wenn die Gefühle dabei nicht ängstigend sind. Hast du Angst vor großer Höhe? Nun, dann wirst du dich auch mit den Jahren nicht ohne Schweißausbrüche über das Geländer im 32ten Stock lehnen können.

 

Alleine gelassen werden in der Angst kann diese allerdings sehr wohl "verstärken". Das führt nicht nur zu mangelndem Selbstvertrauen,

sondern würde eine Bindung des Hundes zu seinen Menschen sicherlich nachhaltig negativ beeinflussen.

 

Keinesfalls bitte ein Mittel geben, dass den Wirkstoff ACEPROMAZIN (bspw. Vetranquil, Sedalia, Calmivet) enthält. Dieser Wirkstoff hemmt bzw. lähmt nur äußerlich. Der Hund durchlebt die Angst aber innerlich voll bewußt.

 

Ebensowenig ist der jedes Jahr aufs Neue angeblich hilfreiche Eierlikör zu empfehlen, da wir keine richtige Dosierung geben können. Alkohol wird sehr individuell verstoffwechselt. Hinzu kommt, dass jedes Tier völlig anders reagiert. Damit sind eventuelle Nebenwirkungen nicht kontrollierbar! Ein leicht alkoholisiertes Tier kann durchaus anstatt in lockerer Entspanntheit in totale Panik geraten.

 

Für die derzeitigen Mittel aus der Homöopathiewelt, Globuli und Salze und auch das allgegenwärtige CBD-Öl gibt es keinerlei wissenschaftliche Erfolgsdaten und ist daher ebensowenig  zu empfehlen.

 

 

Wenn dein Hund oder Welpe bisher keine Angst gezeigt hat. 🙂

 

Bei Hunden, die Silvester noch nicht als Angstauslöser auf ihre Liste der Bedrohungen gesetzt haben,

bietet das einfache "Schönfüttern" eine sehr gute Alternative.

 

Jedes Mal, wenn es kracht und donnert, passiert etwas Schönes für deinen Hund.

Es knallt und es fliegt daraufhin eine Hand voll Leckerchen vor den Hund auf den Boden, die er dann aufsammeln kann.

Oder du startest eine schöne und positive Aktion mit deinem Hund, wie z.B. ein geliebtes

Spiel, gemeinsames Kuscheln und dergleichen.

 

Unbedingt empfehlenswert ist hier das Konditionierte Entspannungssignal, mit dessen Hilfe wir dem Tier eine

gute Portion Oxytocin geben können.

 

Ebenfalls besonders hilfreich ist ein im Vorfeld etablierter Sicherheitsplatz, bei dem wir zusätzlich mit Hilfe des

Geruchs- und Hörsinn (sieh unten) des Hundes für Oxytocinausschüttung sorgen können.

 

 

Wenn dein Hund bereits Furcht oder Angst gezeigt hat. 😳

 

1. TRAINING

 

Auch hier ist eine erste Maßnahme das "Schönfüttern".

Noch besser ist jedoch die vorher geübte konditionierte Futtersuche und natürlich die Trainingsmaßnahmen der Gegenkonditionierung und Desensiblisierung, die dem Hund eine gute Möglichkeit zur Bewältigung der Angst geben.

 

Konditionierte Futtersuche bedeutet die Verknüpfung von Leckerliesuchen mit einer bestimmten Decke oder der Schnüffelteppich und vieles mehr, das Sicherheit bringt. (Ähnlich dem Lieblingsteddy, der bei Kleinkindern überall mit hin muss.)

 

Desensibilisierung ist das langsame Herantasten bei gleichzeitiger Leckerliegabe mit Hilfe ähnlicher Geräusche, die jedoch noch keine Angstauslöser für das Tier bedeuten (Öffnen einer Sprudelflasche, Händeklatschen, usw.) sehr leise und weit entfernt.

Der Hund sollte nicht mit Meideverhalten reagieren. Damit wird nun über Wochen sehr behutsam an die eigentlichen Geräusche herangearbeitet, wobei keinerlei Stress entstehen darf. Wir verändern damit die Gefühle des Hundes.

 

Eine weitere Möglichkeit ist der gleichzeitige Beginn von etwas wirklich sehr sehr Gutem (besonderes Futter, kleine Tricks, Spielsequenzen o.ä.), dass der Hund sehr gut kann und im Vorfeld sicher erlernt hat, mit den Knallgeräuschen. Gegenkonditionierung verändert die Erwartungshaltung des Auslösers. Knallgeräusche kündigen etwas Tolles an.

Wichtig ist das Timing im Training, denn die tollen Sachen müssen direkt mit Ende der Geräusche auch enden.

 

Gerne empfehle ich zum Üben mal einen Trainer aus dem IBH e.V. zu kontaktieren.

 

Weshalb ist ein Training so von Bedeutung?

 

Angst haben bedeutet Kontrollverlust.

Der Hund kann die Situation nicht einschätzen, seine 4 oben genannten Bewältigungsstrategien helfen ihm in der akuten Situation

auch nicht mehr.

Mit den ihm bekannten Spielen und Tricks, die er ja erfolgreich absolvieren kann, geben wir ihm ein Stückchen Selbstsicherheit

und damit Kontrolle über seine Situation zurück.

 

Manchen Hunde hilft zur Stressbewältigung auch Kauen.

Nicht fressen, sondern lange Zeit an etwas herumkamen können (wie der Schnuller beim Baby). Auch hier können wir das durch gutes Beobachten im Vorfeld herausfinden und dem Hund dann diese Möglichkeit zur Verfügung stellen.

 

Empfehlenswert sind der gefüllte KONG, Lickmats und natürlich alle möglichen längerhaltenden Kauartikel (keine Knochen oder ähnlich hartbleibende Sachen, die schaden und beschädigen dauerhaft die Zähne).

 

Natürlich benötigen gerade Hunde mit bereits bekannter Angst den bereits erwähnten Sicherheitsplatz und konditionierte Entspannungstools.

 

Empfehlenswert ist es, diesen Sicherheitsplatz dann an ruhigere Orte zu bringen, oftmals das Badezimmer oder Kellerräume; selbstverständlich alles nur in Anwesenheit der Bezugspersonen.

Denkt daran frühzeitig Fenster und Rollos zu schließen.

 

Des Weiteren helfen vorher verknüpfte Musik (gern auch etwas lauter gegen die Böllergeräusche) und Entspannungsdüfte (bspw. Zitrone) ebenfalls sehr gut.

 

Was genau hat es mit der konditionierten Entspannung auf sich?

 

Wir nutzen hierbei die Klassische Konditionierung, also die Verknüpfung eines Tones, Wortes, Duftes usw. mit einem guten Gefühl,

hier Oxytocin (Bindung- und Wohlfühlhormon).

Dieses Verknüpfen innerhalb weniger Sekunden passiert unbewusst und die entstandene Reaktion ist nicht willkürlich steuerbar.

 

Der Sicherheitsplatz funktioniert über dieses Prinzip und wird zusätzlich mit den Sinnen "riechen und hören" verknüpft.

Der RelaxoPet funktioniert ebenso.

 

 

2. Nahrungsergänzungsmittel / Medikamente 💊

 

Achtet hierbei bitte darauf, ob sie bereits Tage vor Silvester genommen werden sollten, um genügend

wirken zu können.

Gut sind Präparate mit Baldrian und Lavendel.

 

Überaus zu empfehlen (und wissenschaftlich nachgewiesen) für Hunde jeden Alters sind L-Theanine (Sun-Theanine).

Beginnt damit bereits 1-2 Tage vorher, alle 4-6 Stunden mit der entsprechenden Gabe.

(Bitte nicht Produkte mit Mischungen wie Tryptophan verwenden.)

 

Bei extremer Angst kann der Tierarzt Präparate mit Benzodiazepin verschreiben, bspw. Alprazolam, Diazepam. Diese unbedingt frühzeitig genug beginnen, sonst besteht Gefahr von sog. Gegenpanik.

 

 

3. Managementmaßnahmen

 

Unbedingt VORHER geübt und getestet können Thundershirts, eine Art eng anliegende Bodys, die gleichmäßig Druck auf den Körper ausüben, so manchem Hund ein Sicherheitsgefühl vermitteln.

 

Auch Ohrenschützer (MuttMuffs), die im Vorfeld positiv trainiert wurden, sind eine gute Hilfe.

 

Beruhigende Massagen wie TellingtonTouch oder Isometrische Übungen mögen viele Hunde. Auch mit diesen muss das Tier im Vorfeld vertraut gemacht werden.

 

 

4. Was ist Draußen zu beachten? 🐕‍🦺

 

Etabliert bitte eine Lösestelle so nahe wie möglich an eurer Haustüre. Wenn dein Hund besonders in den kritischen 24 Stunde "muss",

ist es extrem hilfreich, wenn du nicht erst längere Strecken in der "feindlichen" Umwelt herumlaufen musst.

 

Achtet bei Spaziergängen darauf, dass der Hund wirklich sehr gut gesichert ist.

Ein Halsband oder Sattelgeschirr sind generell nicht zu empfehlen, gerade an Silvester direkt gefährlich, da Hunde sich hieraus wirklich schnell befreien können.

Sicherheitsgeschirre bei Hunden mit bekannten Problemen sind ein MUSS, ebenso wie die Sicherung mit doppelter Leine.

 

Vom 29.12. bis 02.01. empfehle ich den Hund auch bei gut funktionierendem Rückruf garnicht von der Leine zu lassen, sondern nur an der Schleppleine zu führen.

 

Ablenkungsreiche Spaziergänge mit Kegeln, Suchspiele aller Art, Dummyarbeit helfen und ersetzen das Flitzen durchaus.

Übrigens müssen Hunde nicht unbedingt jeden Tag stundenlang spazieren gehen. Ab und an ein chilliger Ruhetag mit ein paar Interaktionen im Haus sind durchaus eine feine Sache.

 

In diesem Sinne wünsche ich Allen ein entspanntes Silvester und ein gutes Neues Jahr.

 

Heike Schuh

 

Weitere Infos erhält du auch hier " Internationaler Berufsverband der Hundetrainer & Hundeunternehmer e.V.